6. Projekttag: Hermann Kesten Preis für unser Projekt!

Heute treffen wir uns zum Endspurt für unsere Projekte erneut im Sigmund-Schuckert-Gymnasium. Die Zeit ist knapp, wir haben nur noch dreieinhalb Stunden um die Projekte fertig zu stellen. Plötzlich geht die Sirene los – Feueralarm, Brandschutzübung. Wir müssen sagen, dass es eine wahnsinnig gute Idee der Schulleitung war, diese Übung auf einen Tag zu legen, an dem die Zeit sowieso schon knapp ist. Nachdem wir wieder in die Schule zurückgekehrt sind, machen wir uns schleunigst an die Arbeit um die verlorene Zeit wieder aufzuholen. Mit Hochdruck müssen noch einige Interviews fertig gestellt werden und der Film benötigt auch noch eine Menge Arbeit. Zum Mittagessen gibt es Pizza, ein Hochgenuss!

von links nach rechts Matze, Felix und Adri

Das Blogteam bei der Arbeit

 

 

 

 

 

 

 

Am Nachmittag geht es dann in die Stadtbibliothek Nürnberg, wo uns schon Madeleine Weishaupt vom Verband deutscher Schriftsteller erwartet. Sie informiert uns über den Schriftsteller Hermann Kesten. Er wurde im Januar 1900 in der Ukraine geboren und zog 1904 nach Nürnberg, wo er seine Jugend verbrachte. In den 1920er Jahren schrieb er seine ersten Werke wie „Vergebliche Flucht“ und „Joseph sucht die Freiheit“. 1933 floh er nach Frankreich in den kommenden Jahren nach Brüssel und als der Krieg in ganz Europa wütete, schließlich nach New York. Nach dem Krieg kehrt er nach Europa zurück und lebte erst in Rom und ab 1977 in Basel.

1980 verleiht ihm die Stadt nürnberg die Ehrenbürgerschaft, über die er einmal sagte: „Ich fühle mich in keiner Stadt der welt so zuhause wie in Nürnberg und in keiner Stadt der Welt so fremd.“ Ein Jahr vor seinem Tod stiftet er 1995 die Preissumme für die erste Verleihung des Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreises, der alle zwei Jahre verliehen wird.

Nach einer Führung durch die neue Bibliothek, schreiben wir Schlüsselsätze über Krieg und Menschenrechte, die wir ursprünglich auf einen Menschenrechtsgingkobaum hängen wollten. Seit 2007 pflanzt die Stadt Nürnberg Gingkobäume unter denen eine Tafel mit einem Menschenrecht angebracht ist. Da allerdings niemand daran gedacht hat, dass der Gingkobaum zu groß ist und wir nicht an die Äste kommen haben wir am anschließenden Abend die Anhänger an Bäume in der ganzen Stadt verteilt.

Dann ist auch schon sechs Uhr und die Verleihung des Hermann Kesten Preises steht an! Bevor die Interviews, der Film und ein sehr guter, übersichtlicher und äußerst informativer Blog 😉 präsentiert  wird hält Madeleine Weishaupt eine äußerst gelungene Rede, die wir hier veröffentlichen möchten:

 

„(…) Die Realität ist allerdings meistens anders. Sie ist viel komplizierter und trauriger als die Bilder
im Fernsehen. Seit zwei Monaten ist es unruhig und gefährlich in den Städten der Ostukraine. (…)
Ich glaube, dass vor anderthalb Monaten kaum jemand solche Entwicklungen voraussehen konnte.
Serhij Shadan, entnommen dem Ukraine Forum, 12. 2.2014
Es braucht Zeit, die neuen Inhalte in Stellung zu bringen. Alles, was wir jetzt sagen, kann uns
weggenommen werden – alles, nur nicht unser Schweigen. Dieses Schweigen, diese Verweigerung
des Dialogs, aller Formen des Clinchens, ist unser „Terror“ – bedrohlich und gefährlich, ganz so,
wie es sein muss.
Slavoj Zizek, slowenischer Philosoph und Kulturkritiker
Der Konflikt setzt das Denken außer Kraft. Rationales Argumentieren stößt an Grenzen, logische
Erklärungen finden kaum Gehör. „Die Menschen wollen das hören, wovon sie selbst überzeugt
sind, was sie glauben, was richtig ist, alles andere ignorieren sie“, sagt Tetiana. Scheinbar längst
verblichene Rhetorik wird in diesen Tagen wieder salonfähig, viele Ukrainer befürchten ein
Wiederaufflammen des Kalten Krieges. „Auf der Krim ist die Sowjetunion nie richtig zu Ende
gegangen“, sagt Tetiana, die knapp die Hälfte ihres Lebens noch in der Ukrainischen
Sozialistischen Sowjetrepublik verbracht hat. „Ich kann mich erinnern, wie wir als junge Leute an
organisierten Demonstrationen teilnahmen, ‚für Freiheit in Europa‘, weil man uns erzählte, wie
unfrei die Menschen im Westen seien.“
Tetiana Lahodovets, Ukrainerin in Schweiz lebend
Wer jetzt etwas zu sagen hat, der trete vor und schweige.
Karl Kraus, zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges
Montag. Minus 16 Grad. Sonne. Stille. Ich habe die Kinder zur Schule gebracht und bin zur
Revolution gegangen.
Andrej Kurkow, Tagebucheintrag vom 27. 1.2014
Zuhause ist Krieg, zuhause ist Krieg. Die Stimmen am Radio scherben von toten Feinden und
plärrn von Helden und Sieg – Hasserfüllende Boten.
Linard Bardill – aus dem Lied: Dubrovnik / CD „Tanz auf den Feldern“
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Maxym Liakhov – ein Ukrainer, der in der Schweiz lebt – sagt von sich, dass er ein Pazifist sei, der
nicht ins Militär musste, weil er einen Herzfehler hat. Und im nächsten Atemzug und in festem Tonfall
sagt er, dass auch er zur Waffe greifen würde, stünden plötzlich Separatisten vor seiner Haustür. „Ich
will nicht, dass meine Mutter plötzlich in Russland leben muss. Die haben dort ganz andere
Weltanschauungen und Sitten.“ Der Konflikt in der Heimat radikalisiert die Ukrainer in der Fremde.
Hier wir, die Guten, dort sie, die Russen, die Bösen. Ein Krieg macht aus hellen Geistern dumpfe
Köpfe.
Liebe Schülerinnen und Schüler
das sind Zitate, die ich immer wieder im Kopf habe, die ich in den vergangenen Wochen und
Monaten gelesen habe, auch unabhängig von den Nachrichten aus der Ukraine, aus Deutschland
oder anderen Ländern.
Zuhause ist Krieg – so sprecht vielleicht ihr aus Charkiw.
Wer bekriegt wen und weshalb? – so fragt vielleicht ihr aus Nürnberg.
Zuhause ist Frieden – so sprecht vielleicht ihr aus Nürnberg.
Wird es bei uns bald möglich sein, in Frieden miteinander zu leben? – so fragt vielleicht ihr aus
Charkiw.
Zum zweiten Mal während einer Woche habt ihr Euch mit den Themen einer Erinnerungskultur
und der Menschenrechte auseinandergesetzt. Habt gemeinsam Orte aufgesucht, die Spuren der
Vergangenheit, des Zweiten Weltkriegs, sowohl in Charkiw wie in Nürnberg hinterlassen haben.
Ihr führtet Gespräche mit Menschen, die diese Zeit erlebt haben, die sich mit dem Thema
beruflich beschäftigen und ich gehe davon aus, auch unter Euch fanden Diskussionen statt. Was
ihr dabei gefunden habt, habt ihr zusammen getragen – die Berichte vom vergangenen Jahr zum
Beispiel sind in der Broschüre „Kriegsgewalt und Menschenrechte“ abgedruckt. Auch in diesem
Jahr sind, noch unveröffentlicht, viele Seiten entstanden. Einblicke – Augen-Blicke von Euch
zurück in die Vergangenheit, in die Gegenwart. Was wird aus diesen Ergebnissen als
zukunftsweisend genannt werden können? Visionen wünscht man sich vielleicht, insbesondere
von Euch, der jungen Generation. Vielleicht, des weiteren, solches unter dem Begriff des „Friedens
miteinander und füreinander“. Was in Deutschland mit der Aufforderung „Nie wieder!“ zu einem
wichtigen Alltagshandeln gehört, ist das in der Ukraine eine Utopie?
Wenn ich aus den Zitaten die Namen, Orte und Zeiten weglasse – so sind diese Gedanken
übertragbar in ein Zeitloses und sie sprechen für jeden Menschen und stehen für jedes Land dieser
Welt. Es entsteht ein Kreis des Alles und Überall – was die Frage aufdrängt, haben wir Menschen
eigentlich aus der Vergangenheit gelernt? Kann man aus ihr lernen oder: was soll man aus ihr
lernen? „Nie wieder!“ müsste es seit dem Bestehen der Menschheit heissen – nie wieder,
angefangen bei Kain und Abel, endend in der heutigen Zeit, jetzt in dieser Stunde, wo an vielen
Orten der Welt Männer, Frauen und Kinder in Ungerechtigkeit, missachtet der Menschenrechte
und der Menschenwürde leben müssen. Nicht wissend, was der nächste Tag für ein Leben mit sich
bringen wird, ob man noch leben wird, ob von der Geliebten ein Brief eintreffen wird oder ob das
Schulhaus für die Kinder noch zugänglich sein wird und nicht während der Nacht von Bomben
zerstört worden ist.
Hermann Kesten möge mir verzeihen, dass ich zum Abschluss dieser Gedanken und dem
Überreichen der Auszeichnungen an Euch nicht ihn zitiere, obwohl er der Namensgeber dieses
Preises ist. Ich tue es mit einem Gedicht von Hilde Domin, die 1932 in die Dominikanische
Republik emigrierte und 1954 wieder nach Deutschland zurückkehrte. Ich denke, dieses Gedicht
von ihr ist auch in seinem Sinne passend gewählt und anerkennt würdigend Eure Arbeit, die Ihr
im vergangenen Jahr begonnen und in diesem Jahr fortgesetzt hattet. Doch nicht nur die
Würdigung soll damit unterstrichen werden, sondern auch wie ich es sehe: Euren Brückenschlag
und Eure Freundschaften, die Ihr durch diese gemeinsame Zeit entstehen lassen konntet, sollen
damit begleitet werden. Tragt Sorge zu dem, was Ihr erleben und erfahren durftet, tragt Sorge zu
dem, was Eure Hoffnungen und Visionen sind.

Nicht müde werden
sondern dem Wunder
leise
wie einem Vogel
die Hand hinhalten.“
Madeleine Weishaupt

Nach diesem äußerst gelungen offiziellen Teil, führen wir noch sehr interessante Gespräche mit den Gästen, die sich auch die Interviews an Stellwänden durchlesen können.

Matthias Hippold, Felix Ullherr

5. Projekttag: Buchenwald

Buchenwald 1 klein

Heute geht es schon sehr früh los. Viele sind noch müde von der anstrengen Arbeit der Interview-, Film- und Bloggruppe. Trotz der Müdigkeit sind alle angespannt, was uns nach unserer knapp dreistündigen Busfahrt erwartet. Viele der deutschen Schüler kennen das Konzentrationslager Flossenbürg, das jedoch kleiner als das Arbeits- und Konzentrationslager in Buchenwald ist. Es besitzt für uns nochmals eine ganz andere Dimension, da es das größte Konzentrationslager auf deutschem Boden war. An diesem Ort und seinen Außenlagern, an dem von 1937 bis 1945 250.000 Menschen inhaftiert waren, starben schätzungsweise 56.000 Menschen. Deutsche Politiker, Geistliche, Schriftsteller, öffentlich bekannte Personen, nach Kriegsbeginn aber auch Polen, Franzosen, Ungarn, Sowjetbürger und weitere 5.000 Menschen aus 26 Nationen. Viele Todesopfer waren Juden, aber auch eine hohe Zahl politisch und religiös Verfolgter waren hier inhaftiert.

Flugaufnahme des KZ Buchenwald nach der Befreiung, Ende April 1945. Foto: U.S. Luftaufklärung. National Archives Washington Quelle: http://www.buchenwald.de/72/

Die Amerikaner befreien im April 1945 Buchenwald und seine Außenlager. Dwight D. Eisenhower, der Oberbefehlshaber der Alliierten Streitkräfte, schreibt: „Nichts hat mich je so erschüttert wie dieser Anblick.“

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Über 56.000 Menschen sterben an Folter, medizinischen Experimenten und Auszehrung. In einer eigens errichteten Tötungsanlage werden über 8000 sowjetische Kriegsgefangene erschossen. Noch kurz vor und nach der Befreiung sterben Tausende der entkräfteten Häftlinge.

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Modell eines ehemaligen KZ-Häftlings

Auf der Heimreise ereilte uns die sehr traurige Nachricht vom Flugzeugabsturz (Abschuss?) über Donezk. In der von prorussischen Seperatisten kontrollierten Stadt, in der auch Verwandte unserer Gäste leben, herrscht seit einigen Monaten Bürgerkrieg. Es bleibt zu hoffen, dass alle Parteien so schnell wie möglich zu friedlichen Mitteln zurückkehren und unser Blogteam möchte allen Betroffenen sein Beileid aussprechen.

4. Projekttag: Interviews, Amt für Internationale Beziehungen, Empfang im Rathaus und Memorium Nürnberger Prozesse

Am Morgen treffen wir uns im Haus des Amtes für Internationale Beziehungen. Dort begrüßt uns Martina Mittenhuber, die Leiterin des Menschenrechtsbüros und informiert uns über die Arbeit des Menschenrechtsbüros.

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Im Amt für Internationale Beziehungen informiert uns Frau Mittenhuber

Sie erzählt uns über die Schulungen für Beamte, Soldaten und Polizisten. In diesen Schulungen lernen die Berufsgruppen wie sie in ihrer Arbeit mit den Bürgern die Menschenrechte achten können. Die Charkiwer Schüler meinen, dass eine solche Arbeit sehr wichtig ist und sie auch bei ukrainischen Beamten durchgeführt werden sollte um Polizeigewalt und Behördenwillkür einzudämmen.
Nach einer Absprache zur Vorgehensweise bei den Interviews, ziehen wir auch gleich los! Die fünf Interviewgruppen platzieren sich unter anderem auf dem Hauptmarkt, vor der Lorenzkirche und beim Kunstbunker. Besonders auffällig war die Tatsache, dass sich vor allem Menschen anderer Nationen dazu bereit erklären ein Statement abzugeben. Es waren viele Altersgruppen und Nationalitäten vertreten, unter anderem Australier, Russen und Amerikaner. Um kurz vor zwölf treffen wir uns dann zum Männleinlaufen auf dem Hauptmarkt um dann anschließlich von unserem 2. Bürgermeister Christian Vogel im „Schönen Saal“ des Rathauses empfangen zu werden. Wir nutzen die Gelegenheit natürlich gleich aus und interviewen auch Ihn um weitere O-Töne für unsere Präsentation am Freitag zu erhalten. Er hält eine kurze Rede, in der er unsere Arbeit lobt. Auf diese Würdigung des Bürgermeisters sind wir sehr stolz!

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Alina Petrovych und Karina Rybalko überreichen Bürgermeister Christian Vogel Geschenke aus Charkiw

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Unsere ganze Gruppe im Schönen Saal des Nürnberger Rathaus mit dem zweiten Bürgermeister

 

 

 

 

 

 

 

 

Anschließend geht es auch wieder zurück zum Amt für Internationale Beziehungen, wo wir die Interviews aufschreiben und schon mit der Übersetzung beginnen. Die Broschüre soll schließlich wieder auf Deutsch und Russisch sein.
In einem lockeren Gespräch mit der Stadträtin Diana Liberova, werden wir mit den Schwierigkeiten einer jungen Politikerin konfrontiert. Die heute 33-jährige, erzählt uns von ihren Erfahrungen, die sie als gebürtige Russin in der Politik gemacht hat.

Stadträtin Diana Liberova mit uns im Gespräch

Da sie 1998 aus St. Petersburg emigrierte konnte sie unsere Fragen gleich auf deutsch und russisch beantworten; eine willkommene Pause für unsere Dolmetscherin, Svetlana Chystyakova, für deren Arbeit wir uns an dieser Stelle ganz herzlich bedanken möchten. Passend zu unserem Thema geht sie auch auf die rechtsextremen Mitglieder im Stadtrat ein, deren Äußerungen jeden Demokraten anwiedern.

Abschließend besuchen wir an diesem Tag das Memorium Nürnberger Prozesse.

Der moderne Saal 600: Hier fanden die Nürnberger Prozesse statt

Die Nürnberger Prozesse waren ein wichtiger Akt der Aufklärung und Verurteilung der Taten der Nationalsozialisten. Sie waren, wie wir erfahren, die Geburtsstunde der Synchronübersetzung, da alle Alliierten beteiligt waren und man außerdem möglichst viele Menschen erreichen wollte. Ein weiterer interssanter Punkt ist die Tatsache, dass die meisten Verteidiger der Nationalsozialisten auch alte Nazis waren, da es in Deutschland keine oppositionellen Juristen gab. Beeindruckend ist, dass die Prozesse durch und durch nach rechtsstaatlichen Prinzipien durchgeführt wurden. Dennoch hat mich schockiert, wie mild das Strafmaß bei manchen Angeklagten ausgefallen ist, und dass die meißten NS-Verbrecher ihre Strafen nicht einmal ganz absitzen mussten.

Felix Ullherr

3. Projekttag : Besichtigung des Reichsparteitagsgeländes

Heute besichtigen wir das ehemalige Reichsparteitagsgelände. Nachdem wir bedauerlicherweise feststellen müssen, dass die Wochenfahrkarten der VAG nicht für S-Bahn-Fahrten gelten, treffen wir uns vor dem Doku-Zentrum. Es folgt eine Besichtigung des Luitpoldhains, unter der Führung von Matthias Weiß, der unser Projekt begleitet. Im Dokumentationszentrum selbst ziehen wir zunächst auf eigene Faust los, erfahren jedoch im Anschluss noch viele interessante Fakten, die in dem Museum nicht ausgestellt werden, unter anderem auch über die Architektur des Gebäudes, die sich optisch vom Nazi-Unterbau abgrenzen soll. Ich empfinde die Gestaltung im Inneren des Gebäudes persönlich als sehr bedrückend. Dies ist der Effekt, der von dem Architekten zu erzeugen versucht wurde. Das ist ihm sehr gut gelungen, indem er beispielsweise die Räume sehr niedrig gestaltet hat. Ein weiterer wichtiger Gesprächspunkt ist die Aufarbeitung des Geschehenen in der Nachkriegszeit. Besonders sind wir dabei auf die Nürnberger Prozesse eingegangen, die – wenn auch mit einiger Verzögerung- ein wichtiger Faktor waren. Mit jenen werden wir uns am Mittwoch näher beschäftigen. In einem der beiden Seminarräume des Museums – mit perfekter Aussicht auf den Dutzendteich – teilen wir nach einer Diskussionsrunde über die entstandenen Eindrücke die Gruppen für die morgige Interviewaktion ein. Mittagessen, eine Runde Tretbootfahren, und schon geht es wieder zurück in den Seminarraum. Die Projekte rufen und eine Woche ist verdammt kurz!

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Felix Ullherr

 

2. Projekttag Teil 2: Sowjetunion reloaded?- Njet, spasibo!

Jugendliche aus der Partnerstadt Charkiw im Osten der Ukraine berichten in Nürnberg von ihren Erfahrungen aus der Krisenregion

Am Montag, dem 15. Juli fand im Literaturhaus in Nürnberg eine von deutschen und ukrainischen Schülern gemeinsam geplante und durchgeführte Veranstaltung über die Situation in der Ostukraine, insbesondere in Charkiw statt.

Die Menschenrechtsgruppe des Sigmund-Schuckert-Gymnasiums besuchte im Juli letzten Jahres Charkiw und nahm dort an einem Projekt zum Thema Kriegsgewalt und Menschenrechte teil. Momentan sind die Charkiwer Schüler zur Fortsetzung des Seminars in Nürnberg.

Dass das Projektthema aufgrund der Entwicklungen in der Ukraine von solcher Brisanz sein würde, hätte im Sommer 2013 niemand gedacht. Wohl auch deswegen fanden so viele Menschen den Weg ins Literaturhaus. Ich, als deutscher Teilnehmer des Projektes, möchte Ihnen von diesem spannenden Abend im Literaturhauscafe berichten:

Heute abend steht die erste öffentliche Veranstaltung unseres Projektes an! Wir haben uns im Literaturhaus in Nürnberg auf Einladung des Partnerschaftsvereins Nürnberg-Charkiw versammelt, damit unsere Gäste aus Charkiw den Interessierten und Mitgliedern des Vereins über die aktuelle Situation in der Ukraine berichten können. Nachdem jeder der Ukrainer in sehr gutem Deutsch einen Kurzvortrag über seine Erfahrungen in dem aktuellen Konflikt gehalten hat, werden alle Fragen des Publikums ausführlich beantwortet. Besonders interessant sind die Meinungen der einzelnen Schüler, die meist pro-europäisch eingestellt sind. Anna Pietrashko sagte uns: „Ich nahm an den Euromaidan Protesten in Charkiw teil, da in Europa die Lebensbedingungen und die Menschenrechtssituation besser als in Russland sind.“ Die ukrainischen Teilnehmer erzählen sehr berührend über die Auseinandersetzungen zwischen den pro-russischen und pro-europäischen Demonstranten, bei denen auf beiden Seiten Blut floss.

Alle Schüler äußerten, dass sie Angst vor einem großen Krieg haben. Auch die Erzählungen über Kampfhubschrauber und Militärflugzeuge, die Charkiw momentan überfliegen, zeigen wie nahe die Region an das Kriegsgebiet grenzt, obwohl die Situation in Charkiw- verglichen mit Donezk oder Slawjansk- ruhig ist. Auf eine Frage über Streitigkeiten in den Familien wurde geantwortet, dass die Spaltung eher durch die Generationen als durch Ost und West geht. Während sich viele Jüngere an den pro-europäischen Euromaidan Protesten beteiligen, gehen deren Eltern und Großeltern zu den pro-russischen Antimaidan Protesten. Der oftmals beschriebende Konflikt zwischen der russischen und der ukrainsichen Sprache existiert für die Jüngeren nicht, da sie beide Sprachen fließend sprechen. Alina Petrovych erzählte: „In der Schule spreche ich Ukrainisch, daheim in der Familie Russisch.“

Vor allem die ärmeren, älteren Menschen in Charkiw trauern teilweise sogar den Sowjetzeiten hinterher. Des weiteren erzählten die Charkiwer Schüler über die Beeinflussung durch die Medien, egal auf welcher Seite. Sie zeigten uns sowohl eine westliche, als auch russische Nachrichtensendung über eine Demonstration in Charkiw. Während die russischen Medien über gewalttätige ukrainische Faschisten berichten, wurde in den westlichen Medien über aufrichtige Ukrainer berichten, die friedlich gegen die drohende russische Invasion demonstrieren. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo in der Mitte, da jede Seite in diesem Konflikt jedes Ereignis zu seinen Gunsten deuten möchte.

Man sieht also, dass die allermeisten Informationen über diesen Konflikt nicht neutral sind und man sich aus verschiedenen Quellen informieren sollte, um sich eine fundierte Meinung bilden zu können. Auch wenn nicht alle Teilnehmer für eine Mitgliedschaft der Ukraine in der Europäischen Union sind, konnten wir am Montag aus erster Hand erfahren, dass vor allem die jüngere Generation Putins Plänen von einem neuen großrussischen Reich ablehnend gegenüber steht. Zu einer Ostukraine in einer neuen Sowjetunion unter der Führung Moskaus sagen alle Teilnehmer entschieden : „Njet spasibo!“ („Nein, danke!“)

Matthias Hippold

2. Projekttag Teil 1: Planung der Miniprojekte am SSG

Am Montag morgen treffen wir uns am SSG und werden dort von Herrn Sittauer unserem Direktor und Herrn Dr. Michael Rödl willkommen geheißen. Menschenrechtsprojekt Nürnberg-CharkivIm Anschluss besuchen wir verschiedene Schulklassen unterschiedlicher Jahrgangstufen und informieren sie über unser Projekt. Danach stehen die ukrainischen Schüler für Fragen zur Verfügung. Interessant ist hierbei, dass die Schüler- wenn auch unterschiedlich gut informiert – alle Interesse zeigen. Nach unserer ersten Pause am SSG, hält Matthias Weiß uns einen sehr ausführlichen Vortrag zum Thema „Nürnberg im Krieg“. Mit anschaulichem Bildmaterial führte er uns in das Thema ein und schaffte eine solide Diskussionsgrundlage. Dann war es schon Zeit fürs Mittagessen in der Schulkantine. Frisch gestärkt können wir uns jetzt mit aller Energie auf die erste Planung unserer Miniprojekte stürzen. Es wird eine Broschüre, ein Film und ein Blog geplant.

Adrian Leißner und Felix Ullherr

1. Projekttag: Ankunft in Nürnberg

Endlich sehen wir unsere ukrainischen Freunde wieder! Die Freude ist riesig, als sie aus dem Zug steigen und wir sie nach diesem aufregenden Jahr diesmal in Nürnberg willkommen heißen dürfen. Als erstes besuchen wir Andre Winkel in seinem Büro im Nürnberger Bauhof bei der Stadtverwaltung, wo unsere Freunde ihr Gepäck unterstellen können.

In einem interessanten Vortrag erklärt Andre Winkel die Barockarchitektur des Bauhofs und darauf besichtigen wir bei einem kleinen Stadtspaziergang historisch bedeutsame Orte. Zum Mittagessen gibt es ganz traditionell Nürnberger Bratwürste mit Kartoffelsalat, die allen sehr gut schmecken.

Hier berichten uns unsere Gäste aus Charkiw ausführlich über ihre persönlichen Erfahrungen in der Ostukraine und ihre Angst vor einem großen Krieg mit Russland. Nach dem Essen werden wir den Kunstbunker, einen Teil der Nürnberger Felsengänge in dem während des zweiten Weltkrieges bedeutsame Kunstschätze vor Zerstörung geschützt wurden. Von Hildegard Kempken wird uns erklärt, dass das Klima in dem ehemaligen Bierkeller optimal sei, da die konstante Temperatur und Luftfeuchtigkeit an den Bilder, Schnitzereien und Statuen keinen Schaden anrichten. Aber auch Schutzvorrrichtungen für die nicht mobilen Nürnberger Kunstwerke wird im Kunstbunker berichtet.

Es ist z.B. sehr interessant zu sehen, wie der schöne Brunnen komplett eingemauert wurde, um ihn vor alliierten Luftangriffen zu schützen. Leider regnet es sehr stark als wir den Kunstbunker verlassen, dass wir den geplanten Spaziergang mit Matthias Weiß über die Straße der Menschenrechte durch einen Kaffeebesuch ersetzen müssen. Da das Wetter aber besser werden soll, ist dieser Spaziergang nun für Dienstag geplant. Danach holen wir nur noch das Gepäck ab und haben Freizeit, die wir nutzen werden um aus Rio de Janeiro ein Fußballspiel zu schauen, an das wir uns alle wohl noch sehr lange erinnern werden…

Matthias Hippold

EXTRABLATT: Ukrainische Gastschüler berichten von ihrer Anreise nach München!

Am Montag sind wir, 10 Charkiwer im Alter von 15-17 Jahren in Kiew angekommen. Von dort aus sind wir mit dem Bus nach Borispol gekommen und kurz darauf in München gelandet, ohne dass ich es gemerkt habe. Im Flughafen warteten auf uns Ella Schindler, Mitglied des Partnerschaftsvereins Charkiw-Nürnberg und Matthias Weiß, den wir vom letzten Jahr als einen begabten Historiker kennen. Wir haben unsere Sachen in der Jugendherberge abgestellt und Matthias hat für uns einen kurzen, aber sehr spannenden Stadtrundgang gemacht. Während dieser Exkursion hat mich die Stadtarchitektur überwältigt. Überall hat man Deutsch gesprochen und es war für mich, einen Menschen, der zum ersten Mal in Europa ist, ungewöhnlich. Wir haben auch viel Information über Hitler und Entstehung vom Faschismus und seine schrecklichen Folgen bekommen. Einen tiefen Eindruck hat auf uns die Synagoge gemacht. Die Einstellung der Deutschen zu ihrer Geschichte hat mich angesprochen und hat positiv auf meine Wahrnehmung von diesem Land gewirkt. Müde, aber doch zufrieden sind wir in die Jugendherberge zurückgekehrt.

Im Großen und Ganzen will ich sagen, dass der erste Eindruck wunderbar war. Mich hat die Art und Weise mit der sich die Deutschen mit ihrer Geschichte auseinandersetzen und ihre Gastfreundlichkeit gefreut.

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Ankunft am Münchner Hauptbahnhof

Alina Petrovych

Teil 2 unseres Seminars: Mit Vorfreude erwarten wir unsere ukrainischen Freunde

Bald ist es endlich wieder so weit. Wir vom AK Menschenrechte fiebern schon seit langem der Ankunft unserer 10 ukrainischen Austauschschüler entgegen. Bis zu letzt bangen wir alle, ob sie überhaupt aus der Ukraine ausreisen dürfen. Vor knapp einem Jahr durften wir die wunderbare Gastfreundschaft in der Ukraine genießen, jetzt erwarten auch unsere Eltern mit großer Vorfreude die Ankunft. Jedoch ist unsere Vorfreude nicht ungetrübt. Seit Juli letzten Jahres hat sich vieles in der Ukraine verändert, einiges leider nicht zum besseren. Teil 2 unseres Blogs steht also auch schon in den Startlöchern und wird euch natürlich auch dieses Jahr wieder auf dem Laufenden halten.

Reisetag 8, 21. Juli 2013: Ende einer grandiosen Woche

Uns war die ganze Woche klar, dass dieser Tag irgendwann kommen würde, doch dass die schöne Woche so schnell vorüber sein würde, damit hatte niemand gerechnet.
Nach dem Abschied am Bahnsteig von unseren neuen, ukrainischen Freunden fahren wir schon um sieben Uhr mit dem Zug nach Kiew.

Nach einem umfangreichen Mittagessen, bei dem wir noch einmal die Möglichkeit haben alle Höhepunkte der ukrainischen Küche zu genießen, nutzen die meisten die Zeit noch um einen Wochenmarkt in einer historischen Markthalle, auf der man alle erdenklichen Spezialitäten kaufen kann zu besichtigen. Von den exotischsten Früchten bis hin zu nobelsten Kaviar gibt es hier wirklich alles zu kaufen!

Anschließend treffen wir noch unseren Fremdenführer Ilya und Tanja Zhekalov vom Anfang der Reise Flughafen, denen wir sehr dankbar für die interessanten Stadtführungen durch ihre Stadt sind.

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Landung in München

Sie begleiten uns noch zum Flughafen, wo wir uns aber auch von ihnen verabschieden müssen. Schließlich fliegen wir zurück nach München, wo uns auch der äußerst eloquente und immer bestvorbereitete Historiker Matthias Weiß verlässt.

Auf der einen Seite glücklich wieder zu Hause zu sein, auf der anderen aber selbstverständlich auch traurig, dass diese ereignisreiche und spannende Woche vorrüber ist, fahren wir mit dem (selbstverständlich) verspäteten Zug schließlich zurück nach Nürnberg.

Da unter allen Teilnehmern Einigkeit herrscht, dass das Treffen ein voller Erfolg war, laufen schon jetzt die Vorbereitungen für eine Fortsetzung im Sommer 2014, diesmal in Nürnberg!

Über dieses Projekt und die weiteren Aktionen der Menschenrechtsgruppe werden wir dann selbstverständlich hier weiter bloggen. Das Menschenrechtsprojekt der Nürnberger und Charkiwer Schüler ist noch lange nicht vorbei – es hat gerade erst begonnen!

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Auch das Blogteam Adrian Leißner (l.) und Matthias Hippold (r.) verabschiedet sich- wenn auch nur vorerst.